Mein erstes Mal

Mein erstes Mal

Seit ich denken kann, fahre ich gern Fahrrad. Ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die sich an jedes Detail aus ihrer Kindheit erinnern können, aber soviel weiß ich noch: Mein erstes Fahrrad war ein gelb, rot, grünes Pumuckel-Fahrrad, auf das ich so stolz war, wie man nur irgendwie stolz sein kann. Ich ohne dieses Fahrrad – daran war gar nicht zu denken. Freiwillig begleitete ich meine Mutter selbst zu den langweiligsten Unternehmungen, wie z.B. Shopping in der Schlossstraße. Allerdings nur mit Fahrrad – und nur bis zur Ladentür. Dort drehte ich dann meine Runden, unermüdlich, vollkommen entrückt. Oft habe ich gar nicht gemerkt, dass meine Mutter schon längst wieder am Bürgersteig stand und geduldig wartete.

Anfang diesen Jahres, eine gefühlte Ewigkeit später, hatte ich nun ein ganz ähnliches Erlebnis. Ich war mal wieder zu Hause bei meinen Eltern in Berlin und meine Frau, die mich eigentlich hatte begleiten wollen, konnte wegen Prüfungen an der Uni doch nicht mitkommen. Ich hatte gehört, es gibt eine Fahrrad-Messe in der Stadt, also genau das Richtige, um einem Strohwitwer die Zeit zu vertreiben. Und da sah ich es – auf dieser Messe –  ein Fahrrad aus Bambus.

Zwischen all den filigranen Schönheiten aus italienischem Stahl stach es deutlich heraus. Mit seinen kräftigen Streben wirkte es wie ein Kaltblüter in einer Herde Araber-Rennpferde. Gleichzeitig aber umgab es etwas verwegenes, abenteuerliches. Es strahlte eine Ruhe und Kraft aus, die im vollkommenem Widerspruch zu stehen schien, zu allem was ich über Bambus zu wissen glaubte.

Als ich dann in einer kleinen Halle etwas abseits des Messetrubels eine Probefahrt machte, war ich wieder nah dran an dem Gefühl, von damals. Vollkommene Entrückung. Auf den Geraden im Sprint aus dem Sattel und mit allem was ich habe in die Pedale. Der Rahmen gibt keinen Millimeter nach. Im Gegenteil, er vermittelt das Gefühl, jedes Jota Kraft direkt in Vortrieb umzuwandeln, ohne auch nur im Mindesten nachzugeben oder sich zu verwinden.

Etwas außer Atem bemerke ich, dass der Besitzer mit einem wissenden Lächeln am Rand der Halle geduldig wartet. Ich frage ihn: Wie kann das sein, vom Gefühl fast wie ein Carbonrahmen, es ist doch aus Bambus?

Nach seinen Antworten wird mir klar, ich muss so ein Fahrrad bauen. Aus Bambus, leicht und dabei extrem steif, lebendig und unglaublich schön. Als ich zum Abschied mit meiner Hand das Oberrohr berühre und die Struktur des Holzes spüre, sagt er mir noch, dass er dass Rad nun den ganzen Winter gefahren hat, im harten Kuriereinsatz, bei Schnee und Eis, beinahe 10.000 km – ich kann es kaum fassen.

 

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